Im Sommer 1998 weckte mich eine kleine Melodie aus dem Halbschlaf, ein Walzertakt, den sich mein Gehirn – wohl aus Langeweile – zurechtgebastelt hatte und der offenbar ein Lied werden sollte. Der Refrain endete auf „Le Papillon Noir“. Mehr wusste ich lange Zeit nicht. Dennoch beschloss ich, als ich zwei Jahre später mein erstes eigenes Theaterprojekt in Angriff nahm, dass diese drei Worte zum Namen meiner Truppe werden sollten. Wir probten in einem Jugendzentrum in Bonn-Ippendorf und führten Daniil Charms‘ absurdes Stück „Elizaveta Bam“ im Juni 2000 in der Brotfabrik Bonn auf.
In den folgenden Jahren war ich mit Schauspiel- und Regiestudium, den ersten Engagements und meinem neuen Familienleben vollauf beschäftigt. Doch der Wunsch, in erster Linie eigene Projekte zu verwirklichen, blieb dominant, und so reaktivierte ich den alten Ensemblenamen 2011 für ein neues Projekt: „Das Missverständnis“ von Albert Camus erlebte erst in der Alten Feuerwache, dann in der Christuskirche am Stadtgarten mit Gisela Nohl und Beatrice Kaps-Zurmahr in den Hauptrollen mehrere dichte, atmosphärische Abende.
Zwischenzeitlich machte der Falter einen Ausflug in die Musik, als ich „Le Papillon Noir“ und noch mehrere andere Chansons fertig schrieb und mit einem kleinen Streicherinnen-Ensemble im Atelier Colonia zum besten gab. In irgendeinem Theaterstück werden die Lieder auch nochmal auftauchen. Wartet’s nur ab.
Und jetzt, 2019, Büchner. „Lenz“. Angefixt wurde ich von dem Text schon während der Ausbildung, als wir als Hausaufgabe bekamen, eine Passage daraus zu wählen, um „irgend etwas“ damit zu machen. Ich schnappte mir eine Leiter, rezitierte darauf den Anfang – Berge, Wolken usw., naheliegend – und es machte klick. Ich wusste, eines Tages muss ich dieses Ding umsetzen. Kletternd.
Darum baut mir Marc Brodeur jetzt ein Gehirn, äh Gerüst, und im Oktober bringen wir den Lenz in die Alte Feuerwache. Wir haben den Titel, obwohl er eigentlich reicht, nicht behalten. Es sind halt noch weitere Texte dazugekommen, von und über Jakob Michael Reinhold Lenz. Und diese eine Textstelle, die so gut fasst, was diese gequälte Seele, aber auch der grundverunsicherte Mensch der Gegenwart mal mehr, mal weniger heimlich empfindet:
O Gott in Deines Lichtes Welle, / In Deines glüh’nden Mittags Zelle, / Sind meine Augen wund gewacht, / Wird es denn niemals wieder Nacht?
-die fanden wir zentral.
Nacht wird es bei uns wahrscheinlich irgendwann schon werden. Vielleicht ein paarmal auch richtig hell. Die meiste Zeit aber eher halbdunkel. Wie bisher immer bei Le Papillon Noir. Wir lieben das Halbdunkel.
Ich freue mich so.